Baret Magarian wurde in London geboren, hat armenische Wurzeln und lebt in Florenz, er hat als Journalist, Schauspieler, Theaterleiter und Aktmodell gearbeitet, hat Persönlichkeiten wie Salman Rushdie oder Peter Ustinov interviewt und sich seit Schulzeiten als Autor versucht. Auch diese Erfahrungen münden wohl in den surrealistischen Roman „Die Erfindung der Wirklichkeit“ – zugleich Medienschelte und Gesellschaftssatire. Zwei Männer, ein Plan Im Mittelpunkt stehen zwei höchst ungleiche Männer: Der Autor Daniel Bloch, ein Mann in der Midlife-Krise, der an einer Schreibblockade leidet und auf der Suche nach Intuition ist. Und der junge Oscar Babel, scheinbar ein geborener Looser, der als Filmvorführer arbeitet, nachdem er sich erfolglos als Maler versucht hat. Dann kommt Bloch die Idee: „Ich könnte eine Geschichte über dich schreiben“, sagt er zu Oscar. „Ich würde mir gern ein anderes Leben für dich ausdenken. Eine Parallelwirklichkeit. Ich könnte eine mögliche Zukunft in Worte meißeln.“ Scheinwelt der Social Media Gesagt, getan. Was dann passiert, erschreckt den Autor zu Tode: Oscars Leben passt sich Blochs literarischen Skizzen an. Es beginnt mit einer Katze und führt geradewegs hinein in die Scheinwelt der Social Media. Und während Bloch dem eigenen Projekt immer ängstlicher gegenüber steht – „Weißt du, dass Kunst töten kann?“ hatte…
Charles Lewinsky (Jahrgang 1946) kann vieles: Volkslieder, Sitcoms, Hörspiele. Vor allem aber kann er schreiben. Und wie! Sein Roman „Der Halbbart“ stand 2020 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und wurde für den Schweizer Buchpreis nominiert. Preiswürdig ist auch sein neuer Roman „Sein Sohn“. „Von dem Sohn, den der Herzog von Orléans mit der Köchin Marianne Banzori zeugte, ist nur bekannt, dass er im Dezember 1794 zur Welt kam und in einem Waisenhaus in Mailand abgegeben wurde. Alles andere ist Erfindung.“ So steht es am Ende dieses Buches. Suche nach der eigenen Identität Für den fiktiven Lebensweg dieses Sohnes hat sich Lewinsky tief in die Geschichte der nachnapoleonischen Zeit begeben. Doch trotz aller historischen Hintergründe ist „Sein Sohn“ viel mehr als ein historischer Roman. Denn die Suche nach der eigenen Identität ist zeitlos. Für Louis Chabot, den Protagonisten des Romans, beginnt das Leben als Underdog in einem Waisenhaus. Ganz allmählich und mit der Hilfe eines wohlwollenden Marquis arbeitet sich der von allen gemobbte Junge zu einem angesehenen Bürger empor. Viel Glück im Leben Das Glück scheint ihm auch in schlimmen Zeiten hold zu sein. Und Louis Chabot ergreift es mit beiden Händen, ohne seine Menschlichkeit zu verlieren. Das zahlt sich…
Mit ihrem Debüt „Ewig Sommer“ hat die in Augsburg geborene Autorin Franziska Gänsler den Nerv der Zeit getroffen. Ich habe mit Franziska Gänsler über ihren Roman und ihre Karriere gesprochen. Sie sind in Augsburg geboren, haben hier auch studiert und leben zumindest zeitweise in Ihrer Geburtsstadt. Wo sind Sie denn zur Schule gegangen? Franziska Gänsler. Ich war auf dem Jakob Fugger Gymnasium. Was war Ihr Lieblingsfach? Franziska Gänsler. Kunst und Englisch, beides habe ich dann in Berlin auch studiert. Liebe zum Schreiben Haben Sie schon als Jugendliche daran gedacht, einen Roman zu schreiben? Franziska Gänsler. Auf jeden Fall. Ich habe schon als Kind Geschichten geschrieben und war als Jugendliche in den Sommerferien mehrfach in Schreibwerkstätten. Meine Abschlussarbeit im Kunst Leistungskurs war auch eine Kurzgeschichte. Und mit einer Kurzgeschichte waren Sie auch schon mal in einem Finale… Franziska Gänsler. Ja, im Finale des Open Mike, aber habe nichts gewonnen. Nun hat dafür gleich Ihr Debütroman eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe. Wie fühlen Sie sich denn als vielgefragte Bestseller-Autorin? Franziska Gänsler. Ich glaube, als Bestseller-Autorin gelte ich bisher nicht. Ich weiß gar nicht wie viele Bücher man dafür verkaufen muss. Aber ich freue mich sehr, dass offenbar recht viele Leute „Ewig Sommer“…
„Namaste Corona“ rufen Jugendliche in Nepal den beiden deutschen Weltenbummlern hinterher, als die Pandemie ihr Land in einen Lockdown zwingt. Gerade so, als seien die „Westerners“ schuld daran. Namaste Corona heißt auch das Buch, das Michael Moritz über seine Erlebnisse in Nepal während des Corona-Lockdowns geschrieben hat. Zum Stillstand gezwungen Der überzeugte Weltenbummler, der Sicherheit, Job, ja sogar die Liebe seiner Reise-Leidenschaft geopfert hat, wird in Nepal zum Stillstand gezwungen. Allerdings mit der Liebe seines Lebens, Anna, mit der er sich nach einem Jahr verabredet hatte. Im Lockdown sucht sich das Paar eine Unterkunft jenseits der überfüllten Städte Nepals, eine Zuflucht auf dem Land. Türen öffnen sich Sie finden eine Hütte über dem Phewa See, in einer idyllischen Landschaft. Doch weitab von allem, was ihr bisheriges Leben ausgemacht hat. Einfach ist das alles nicht, aber mit der Zeit lernen die beiden nicht nur die Nachbarn und Hausvermieter kennen, sie finden auch Freunde im Ort. Und plötzlich öffnen sich Türen zu einer anderen Art von Leben, einem einfachen Leben ohne große Ansprüche. „Ich bin Tourist“ Michael und Anna packen mit an, helfen, wo sie können. Sogar die Jugendlichen lernen die beiden zu akzeptieren. Und Michael Moritz denkt über die unterschiedlichen Lebensweisen…
„Ich erzähle Geschichten. Ich reise hierhin und dorthin“, wird Anthony Bourdain im Vorwort zum Buch „World Travel“ zitiert. Der 2018 verstorbene Starkoch und TV-Moderator war an allen Ecken und Enden dieser Welt unterwegs. Mit „World Travel“ ist postum ein „gnadenlos subjektiver Reiseführer“ erschienen, eine Hommage an den Genießer Anthony Bourdain und seine Welt mit Essays von Freunden und Familienmitgliedern. Im Sound des Spitzenkochs „Braucht die Welt noch einen Reiseführer?“ hatte sich Laurie Woolever gefragt, als sie 2017 mit Anthony Bourdain diese Weltreise in Buchform plante – kreuz und quer über den Globus. Doch nach dem Tod des begnadeten Geschichtenerzählers war die Antwort schnell klar. Und so entstand „World Travel“, ein Reiseführer durch die Welt Anthony Bourdains mit eher wenigen Basisinformationen. Dafür im typischen Sound des erfolgreichen Spitzenkochs und Globetrotters, der sich immer klar darüber war: „Ich schaue hin. Ich höre zu. Doch am Ende weiß ich: Es ist meine Geschichte.“ Ein Hoch auf Paris In diesem Sinn führt „World Travel“ von A wie Argentinien („das ist das Reich des Zweifels“) bis V wie Vietnam („das Land hat mittlerweile einen besonderen Platz in meinem Herzen“). Corona spielt noch keine Rolle, und manche Tipps wie die für Hongkong oder Myanmar sind wohl…
Herausgeber Finn Beales hat sich angesichts der Bilderflut im Netz zum Bildband „Let’s get lost“ seine eigenen Gedanken gemacht. „Vielleicht besteht das Privileg heutzutage ja darin, sich zu verlaufen?“, fragt er in der Einleitung. Wer sich verlaufe, müsse sich intensiver mit seiner Situation und Umgebung auseinandersetzen. Sich zu verirren, helfe dabei, „herauszufinden, was wirklich wichtig ist“. Suche nach dem schönsten Bild Die Menschen dürfen wieder reisen. Und sie tun das auch – meist auf ausgetretenen touristischen Pfaden. Ganz anders Naturfotografen. Sie zieht es an entlegene, oft weitgehend unberührte Plätze. Und wenn sie sich auf der Suche nach dem schönsten Bild mal verlaufen, steigert das nur das Erlebnis. „Let‘s get lost“ (Lasst uns verloren gehen) ist denn auch das Motto der Fotografinnen und Fotografen, die der preisgekrönte Fotograf Finn Beales mit ihren spektakulären Naturaufnahmen in diesem gleichnamigen Bildband versammelt hat. Abseits markierter Wege Ob im Gebirge oder an der Küste, in karger Natur, bei Eis & Schnee, in urtümlichen Wäldern oder an Flüssen & Seen – den Fotografierenden gelangen faszinierende Aufnahmen unserer Welt, auch weil sie nicht auf markierten Leben und mit allen Sicherheiten unterwegs waren. Der Lohn abenteuerlicher Exkursionen waren nicht nur großartige Aufnahmen sondern hin und wieder auch außergewöhnliche…
Tuutiki Tolonen ist eine finnische Schriftstellerin, die schon einige Kinderbücher verfasst hat. Und ihr Roman „Agnes und der Traumschlüssel“ ist eine wunderbare Ferienlektüre, spannend und ein bisschen märchenhaft. Ein neuer Ort, ein neuer Freund Worum es geht, ist schnell erzählt: Agnes und ihre Mutter sind gerade erst in den kleinen finnischen Ort Harmala gezogen. Hier hat die Mutter nach der Scheidung eine Stelle als Journalistin gefunden. Und im Sohn des Chefredakteurs Muffin findet Agnes einen Freund. Das Rätsel des Babygrabs Den braucht sie auch, um ein Rätsel zu lösen, das sie beschäftigt, seit sie auf dem Friedhof auf das Grab eines Babys gestoßen war. Das war gerade mal einen Tag alt geworden und hieß wie sie Agnes. Seither hat Agnes merkwürdige Träume von einer Villa, in deren Garten sie umherirrt und einer herrischen Frau, die sie ruft. Zwei Spürnasen Wie gut, das Muffins Vater Zugang zum Zeitungsarchiv hat. Da finden die zwei Spürnasen Informationen über die Familie des toten Babys – und die Villa, in der die Familie wohnte. Agnes, die jeden Tag den Hund eines Nachbarn spazieren führt, und Muffin beschließen, der Villa einen Besuch abzustatten. Merkwürdigerweise hat Agnes gleich das Gefühl, die Villa zu kennen und Hund Oskar…
Papyrus ist ein Buch über Bücher. Und was für eines! Fabelhaft! Die Spanierin Irene Vallejo erweist sich mit „Papyrus“ als versierte und wortmächtige Anwältin des gedruckten Buches. Ihre über 700 Seiten dicke Geschichte der Welt in Büchern beginnt im 3. Jahrhundert vor Christus mit der Weltbibliothek von Alexandria und endet mit der Absetzung des letzten römischen Kaisers Romulus Augustus im Jahr 476 nach Christus. Vom Papyrus zum E-Book Dazwischen hat Irene Vallejo viel Zeit und Gelegenheit für Anekdoten, Rekurse auf historische Quellen, Ausflüge in die Gegenwart, ja sogar Kriminalgeschichten. Immer geht es um das Überleben der Worte, ob auf Stein, Ton, Schild, Leder, Holz oder Papier. Es war ein weiter Weg vom gerollten Papyrus der Ägypter über das Pergament der Griechen bis zum E-Book und den Graffiti. Fesselnd wie ein Abenteuerroman Irene Vallejo erzählt eine Überlebensgeschichte so fesselnd wie ein Abenteuerroman: „Das Buch hat sich im Laufe der Zeit bewährt, es hat sich als Langstreckenläufer erwiesen. Wann immer wir aus dem Traum der Revolutionen oder dem Alptraum der Katastrophen erwachten, war das Buch noch da. Es ist, so sage Umberto Eco ‚ein technisch vollendetes Meisterwerk‘.“ Eco ist nicht der einzige Literat, auf den sich Vallejo bezieht, unter anderen treten…
Andrej Kurkow ist Ukrainer, und das Schicksal der Ukraine liegt ihm am Herzen. Jetzt hat er einen historischen Kriminalroman geschrieben, der 1919 spielt, „weil die Situation damals der heutigen in der Ukraine sehr ähnelt“, wie er dem Spiegel verriet. „Samson und Nadjeschda“ ist keine Liebesgeschichte, eigentlich auch kein Krimi und auch kein historischer Roman, eher alles zusammen und eine Art Schelmenroman dazu. Zufallsopfer der Umbruchszeit Denn dieser Samson, ein studierter Maschinenbauer, wird durch einen unglücklichen Zufall zu einem erfolgreichen Ermittler in der Miliz. Rotarmisten haben auf offener Straße seinen Vater erschlagen und ihm das rechte Ohr abgetrennt. Die beiden gutbürgerlichen Männer sind Zufallsopfer einer brutalen Umbruchszeit. Die russische Revolution hat Horden von Banditen nach Kiew gespült, die der Stadt und den Bewohnern zusetzen. Das talentierte Ohr Doch Samson hat Glück, auch wenn der Augenarzt das Ohr nicht mehr annähen kann. Das in einer Dose aufbewahrte Organ rettet ihm das Leben und wird zum Schlüssel seiner Karriere. Denn wundersamerweise hat das Ohr das Talent eines Abhörgeräts: Es hört mit. Schräge Dialoge, wirre Konversationen aber auch das, was die bei Samson einquartierten Rotarmisten planen, die so eifrig große Säcke in Samsons Wohnung schleppen. Ein Schneider als Opfer Irgendwie geht es dann auch…
Isabel Allende kann auch mit 80 Jahren vom Schreiben nicht lassen. Die erfolgreichste lebende Schriftstellerin Lateinamerikas hat immer noch viel zu sagen. Auch in ihrem neuen Roman Violeta. Er handelt – wie sollte es bei der engagierten Frauenrechtlerin auch anders sein – von einer starken Frau und von einem geschichtsträchtigen Jahrhundert. Denn Violeta ist 100 Jahre alt, als sie beschließt, ihrem Enkel Camilo ihr Leben zu erzählen. Und sie verspricht: „Du wirst sehen, mein Leben ist ein Roman“. Was für ein Leben Und was für ein Leben das war: Eine missglückte Ehe, eine toxische Liebesbeziehung, aus der zwei Kinder hervorgingen und eine erfolgreiche Karriere als Unternehmerin. Die tödliche Drogensucht der Tochter, die Verfolgung des politisch aktiven Sohnes, die Erziehung des mutterlosen Enkels Camilo, eine neue Liebe, und gar eine Wanderung auf dem Jakobsweg. 400 Seiten prall gefüllt mit Erlebnissen, politischen Ereignissen und Anekdoten. Die Jahrhundertfrau Eine eigenwillige und selbstbewusste Heldin, die zu ihren Schwächen ebenso steht wie zu ihrer Familie. Da hat Isabel Allende wieder aus dem Fundus der eigenen Familiengeschichte geschöpft, hat das Schicksal der Mutter mit der eigenen Vita verwoben. Violeta, die Jahrhundertfrau, ist trotzdem ein ganz eigenständiger Charakter. Von der Konservativen zur Aktivistin Bürgerlich, eher der konservativen…