In dunkle Abgründe führt das Autoren-Duo und Ehepaar Nicci French ((Nicci Gerrard und Sean French) die Lesenden in seinem neuen Thriller. Tess ist geschieden und vergöttert ihre dreijährige Tochter Poppy. Von Kindsvater Jason, dessen junge Frau ein Kind erwartet, hat sie sich einvernehmlich getrennt. Auch der Regelung, dass Poppy Zeit mit ihm und der neuen Frau verbringt, hat sie zugestimmt. Was ist passiert? Doch dann findet sie nach einem Vater-Wochenende eine krakelige Zeichnung des Kindes, die darauf hindeutet, dass es etwas Schreckliches gesehen, gehört oder womöglich erlebt haben könnte. Und so beginnt Tess‘ Suche nach etwas, von dem sie nicht weiß, was es ist. Nachdem sie von einem Mord an einer jungen Frau gelesen hat, der in das Schema von Poppys Zeichnung passt, beginnt sie, alle Männer in ihrer Umgebung zu verdächtigen, zuvördest Jason aber auch ihren neuen Freund. Und sie zeigt ihren Verdacht bei der Polizei an. Wer ist schuld? Doch niemand will ihr glauben, sie isoliert sich immer mehr, sammelt Beweise und Verdachtsmomente, die niemanden interessieren. Bei der Polizei gilt sie bald als schwieriger Fall. Dass auch Poppys Verhalten immer problematischer wird, kommt erschwerend hinzu. Doch Tess gibt nicht auf. Ihre Suche führt sie an Abgründe und bringt…
„Ein Zug voller Hoffnung“ heißt der Roman der neapolitanischen Schriftstellerin Viola Ardone, in dem sie ein vergessenes Kapitel der italienischen Geschichte aufgreift. Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg war hart in Europa, auch in Italien. Nahrung war knapp, die Menschen hungerten – vor allem im armen Süden. Von dort schickte die kommunistische Partei „Züge der Hoffnung“ in den reicheren Norden. Angst vor dem anderen Leben Treni die bambini heißt der Roman von Viola Ardone im Original, denn es waren Kinder, die in diesen Zügen zu Gastfamilien fuhren. Im Mittelpunkt steht der siebenjährige Amerigo aus Neapel, der mit seiner alleinerziehenden, bildungsfernen Mutter kaum über die Runden kommt. Ein bisschen Geld kann er durch das Sammeln von Lumpen zum Lebensunterhalt beitragen. Zusammen mit seinem Freund Tommasino und dem Mädchen Mariucca reist Amerigo zu einer Gastfamilie nach Modena. Voller Angst, was ihn dort erwarten könnte. Denn in Neapel haben die Gegner der Kommunisten Horrorgeschichten über diese Züge verbreitet. Perspektive aus Kinderaugen Doch die erweisen sich schnell als bösartige Lügen. Schon bald fühlt sich Amerigo in seiner Gastfamilie nicht nur gut aufgehoben, er wird auch vom Gastvater Alcide musikalisch gefördert. Es ist ein völlig anderes Leben, in das Amerigo eintaucht. Ein Leben in Sicherheit,…
Dass Israel ein traumatisiertes Land ist, ein Land, für das Kriege Alltag sind, das ist das große Thema der Schriftstellerin Lizzie Doron – auch in ihrem neuen, autobiographisch gefärbten Roman „Was wäre wenn“. Was wäre wenn die Ich-Erzählerin, ein alter Ego der Autorin, mit dem Jugendfreund Ygal zusammengekommen wäre? Was wäre, wenn sie sich früher wieder gesehen hätten? Was wäre, wenn Ygal nicht in Gefangenschaft geraten wäre? All diese Fragen gehen der Erzählerin nach einem Besuch bei dem todgeweihten Jugendfreund im Kopf herum. Im Sog der Erinnerungen Er hatte sie noch einmal sehen wollen. Und in der Nacht nach dem Besuch am Sterbebett des Freundes überfallen sie Erinnerungsfetzen, Schlaglichter auf ihre Jugend, den Wehrdienst, die anfängliche Euphorie und die lange Enttäuschung. Es ist kein klarer Gedankenfluss, die Erinnerungen sind sprunghaft, ungeordnet. Die Erzählung mäandert zwischen der schlaflosen Nacht und der Kindheit mit einer vom KZ gezeichneten Mutter, zwischen dem Besuch im Hospital und der Freundschaft mit dem jungen, rebellischen Ygal Ben Dror, aus dem irgendwann Ygal Dobrinsky wurde, zwischen dem Tod der Mutter und der eigenen Angst. Zum Sterben nach Israel Wie Ygal hat sich auch die Erzählerin weit vom naiven Idealismus ihrer Jugend entfernt, wie er sieht sie kritisch, was…
Unsere Gesellschaft ist unbeweglich geworden. Doch das viele Sitzen ist ungesund. Dagegen hilft, auch mal auf das Auto zu verzichten. Dass es sich lohnt, das Gehen wieder zu entdecken, zeigt Annabel Streets in ihrem Buch „Auf die Füße fertig los“. 52 Inspirationen für die 52 Wochen des Jahres hat sie aufgelistet. Sie sollen dazu beitragen, „die Freuden, das Mysterium, das wunder und das Hochgefühl des Gehens neu zu erleben“. Spazieren im Sonnenschein Im Kapitel „Über dieses Buch“ sind ein paar Tipps zur Vorbereitung auf das Gehen versteckt wie Kleidung, Proviant, Planung. Und der Hinweis, wie man dieses Buch am besten nutzt. Deshalb geht es jetzt auch nicht um die erste Woche „In der Kälte gehen“, sondern um die 25. Woche „Im Sonnenschein flanieren“. Da liest man sich erst einmal drei Seiten lang durch Ausführungen über die Wohltat von Sonnenlicht. Der Tipp: „Wann immer die Sonne scheint, unternehmen Sie einen kurzen Spaziergang mit hochgekrempelten Ärmeln und ohne Sonnencreme.“ Es folgen wie in jedem Kapitel Tipps für so einen Spaziergang in der Sonne. Wandern mit Gesang „Die Kraft des Gesangs“, die Streets in der 26. Woche hervorhebt, könnte zwar wandernde Familien beflügeln, aber andere Spaziergänger eher abschrecken. Der Ausflug mit Picknick in…
Es wird wieder gereist. Und die USA – und da New York – stehen ganz oben auf der Bucketlist der Reisenden. Das Buch von Susan Kaufman „New York wie es keiner kennt“ macht noch mehr Lust, den Big Apple zu durchstreifen. Spaziergänge mit der Kamera Denn die langjährige Lifestyleredakteurin und Fotografin nimmt die Lesenden mit auf ihre Spaziergänge mit der Kamera und erkundet mit ihnen die charmanten, die malerischen Seiten der Stadt, die viel mehr zu bieten hat als Manhattan und die Wolkenkratzer. Zu den Magnolienbäumen im Washington Square Park, zur neogotischen Grace Church am Broadway, in den romantischen Gramercy Park, zu Blumenläden, Buchgeschäften und Cafés. Farbenprächtige Einladung Das ganze Buch ist eine farbenprächtige Einladung in die Stadt, die angeblich niemals schläft. Kaufmans Fotos zeugen von der Liebe der Fotografin zu ihrer Stadt, von ihrem Faible für Details, und sie zeigen tatsächlich Seiten von New York, die man so kaum kennt. Verträumte Gassen in Greenwich Village, blühende Gärten in Noho & Nolita, schöne Fassaden in Soho, Kutschenhäuser im Gramercy Park, stilvolle Aufgänge in Murray Hill, anmutige Stadthäuser in der Upper East Side, den „altertümlichen Charme“ von Carnegie Hill. Karte der Lieblingsorte Die Bilderbögen sind eine charmante Entdeckungsreise durch ein New…
Gary Shteyngart war noch ein Kind, als seine Eltern aus Leningard, dem heutigen St. Petersburg in die USA emigrierten. Die Welt der russischen Emigranten hat ihn nie losgelassen. Ebenso wenig wie die Neigung zur Selbstparodie. Beides gilt auch für seinen neuen Roman „Landpartie“. Freunde mit Migrationshintergrund Die Pandemie wütet in der Stadt, und der russisch-stämmige Schriftsteller Sasha Senderovsky hat mit seiner Frau Masha und der chinesischen Adoptivtochter Nat Zuflucht in seinem Landhaus gesucht. Zur Unterhaltung hat er ein paar Freunde aus alter Zeit in die zum Haus gehörenden Bungalows eingeladen. Bis auf seine ehemalige Schülerin Dee haben sie alle auch Migrationshintergrund: der koreanische Dandy Ed, die ebenfalls aus Südkorea stammende Dating-App-Erfinderin Karen und Vinod, den Sohn indischer Immigranten. Der Gastgeber führt Regie Zu dieser illustren Intellektuellen-Runde stößt später noch ein berühmter Schauspieler, der dabei helfen soll, Senderovskys neuen Roman zu verfilmen. Das ist die Ausgangsbasis von Gary Shteyngarts neuem Roman, einer klugen Gesellschaftssatire vor dem Hintergrund von Corona und Trump. Zwar weckt das Setting Erinnerungen an Boccaccios Klassiker Decamerone. Aber bei Shteyngart, der mit Senderovsky Alter und Beruf gemein hat, finden die erotischen Abenteuer, die teilweise überraschende Wendungen nehmen, erst statt. Und bei einigen führt der Gastgeber selbst Regie. Tschechow…
Freie Tage, Ferienzeit. Und die Kinder wollen was erleben. Dazu muss man nicht einmal weit fahren. Denn gerade jetzt grünt und blüht es in der Wildwiese, es summt und brummt, krabbelt und schwirrt. Da lohnt sich ein Ausflug vor der Haustüre. Dahin, wo die Wiesen noch nicht gemäht wurden, wo das Gras hoch steht, wo Margeriten, Mohn, Kornnblume und Hahnenfuß blühen. Seltenheit Wildwiese Solche Wildwiesen gibt es immer seltener. Meist werden die Wiesen abrasiert, ehe die Blumen sprießen. Ein Verlust für die Artenvielfalt. Doch wer so eine Wildblumenwiese entdeckt, kann sich nicht nur an der Vielfalt der Gräser und Blüten erfreuen, sondern auch viel lernen – über die Überlebensstrategien der Pflanzen und die Fähigkeiten der Tiere. Rekorde Angelika Huber-Janisch und Annette Zacharias machen mit dem großformatigen, schön illustrierten Bilderbuch „Die Wildwiese“ Lust darauf, den Lebensraum Wildwiese zu erforschen und buchstäblich das Gras wachsen zu hören. Da erfährt man beispielsweise, welche Rekorde ein Feldlerchen-Männchen beim Singen aufstellt oder die Wiesenschaumzikade beim Springen. Und wer weiß schon, dass eine Hummel in einer Sekunde 240 Flügelschläge macht? Dass eine einzige Löwenzahnblüte 400 Samen produziert? Oder warum Glühwürmchen leuchten? Alles kleine Wunder, die wir allzu oft übersehen wie den Sparrigen Runzelbruder oder das…
Es sind immer weniger die üblichen Krimis, die aus der scheinbar unversiegbaren Feder von Donna Leon fließen. Auch Brunettis 31. Fall „Milde Gaben“ beschäftigt sich intensiv mit dem, was der Autorin schon seit Jahren am Herzen liegt – Gesellschaftskritik. Die Folgen von Corona Venedig ist dabei, die Pandemie abzuschütteln. Doch die Stadt hat gelitten, viele Läden bleiben geschlossen. Doch während Corona manche in den Ruin trieb, haben andere profitiert. Brunetti hat viel Zeit, sich Gedanken über die abstrusen Folgen der Pandemie zu machen und sich seinen Klassikern zu widmen. Auch das Verbrechen scheint zu pausieren. Die Freundin, die keine war Und dann bittet ihn eine alte Freundin um Hilfe, die in Wirklichkeit gar keine Freundin war, wie Brunetti sich widerwillig erinnert. Der Commissario muss nur zurückdenken an seine ärmliche Kindheit. Und so erfahren die Lesenden erstaunlich viel aus Brunettis Leben vor Paola. Von den beengten Verhältnissen, in denen er zusammen mit seinem älteren Bruder aufwuchs. Vom Vater, der seit der Heimkehr aus dem Krieg immer seltsamer wurde, und von der geliebten Mutter, die im Alter dement wurde. Keine Lösung und viele Fragen Es sind teilweise schmerzvolle Erinnerungen, denen sich Brunetti in diesem Fall stellen muss. Nach vielen Verwicklungen wird klar,…
Nicht nur das Neun-Euro-Ticket lädt dazu ein, die Schönheiten vor der eigenen Haustür oder zumindest im eigenen Land neu oder wieder zu entdecken. Carmen Rohrbach, die vielgereiste Reisebuch-Autorin, zeigt in ihrem Buch „Mein Ammersee“, wie es geht. Sie macht sich einfach auf den Weg, zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit der Bahn oder auch mit dem Schiff. Und dabei entdeckt sie den See, an dem sie lebt, immer wieder neu – im Verlauf der Jahreszeiten etwa, oder bei einer See-Umrundung. Freude an der Natur Der studierten Biologin liegt natürlich die Natur am Herzen, das spürt man auch in diesem Buch. Sie lässt die Lesenden teilhaben an ihrer Freude über den Gesang der Vögel und das Aufblühen der Natur, nimmt sie mit zu ausgedehnten Spaziergängen, aber auch zu Gesprächen mit Fischern, Keramik-Künstlern, Geistlichen und Geschichtskennern, zu Festen, in Parks, Klöster und Kirchen. Lachmöwen und Dreikant-Muscheln Und obwohl Carmen Rohrbach sehr viel über ihr eigenes Be- und Empfinden schreibt, erfährt man in dem Buch jede Menge Interessantes. Dass die Lachmöwe deshalb so heißt, weil sie gern in Lachen (seichten Gewässern) brütet, etwa. Dass die eingewanderten Dreikant-Muscheln zum ersten Mal 1994 am See entdeckt wurden und seither die einheimischen Muscheln verdrängt haben. Wie…