Der Klimawandel war das beherrschende Thema in Glasgow. Die Welt grabe sich ihr eigenes Grab, warnte UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf dem Klimagipfel. Tatsächlich sind wir noch weit davon entfernt, die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Die von der Eiszeit geformten Alpen sind ein Gradmesser des Klimawandels. Das Buch „Die Alpen im Fieber“ will deutlich machen, wie dringlich Gegensteuern ist. Andreas Jäger bemüht sich dabei auch, die menschliche Beteiligung an der gefährlichen Erderwärmung zu erklären und kommt zu dem Schluss: „Wir sind am Drücker, ob es uns gefällt oder nicht“. Zurück in die Geschichte Um klar zu machen, wie es so weit kommen konnte, geht es zunächst zurück in die Geschichte bis hinein in die Eiszeit, denn „Wir wollen die Vergangenheit der Alpen verstehen, um die Zukunft aktiv zu gestalten“. Helfen können dabei auch fossile Bäume als „unschätzbares Klimaarchiv“ – und natürlich Gletscher. Sie haben die Alpenlandschaft geschliffen, die Bergseen geformt und für fruchtbare Lössböden gesorgt. Das Wasserschloss Europas Anschauliche Graphiken unterstützen den Ausflug in die Eiszeit und ins Holozän und verdeutlichen die explosive Entwicklung seit der Sesshaftwerdung. Weil die Alpen durch Regen und Schnee wasserreich sind, gelten sie heute als „Wasserschloss“ Europas; über Rhein, Donau und Po versorgen sie auch…
Bodo Kirchhoff gehört zu den renommiertesten deutschen Autoren und zu meinen Lieblingsschriftstellern. Doch mit seinem „Bericht zur Lage des Glücks“ hat er mich verunsichert. Was soll uns dieser dicke Wälzer sagen, in denen alles aus der Perspektive eines namenlosen, ichbezogenen Mannes erzählt wird? In aller Ausführlichkeit und in oft verschachtelten, schwer lesbaren Sätzen. In einer bedeutungsvoll aufgeladenen Sprache, die vielleicht darauf hindeuten soll, dass der Erzähler Journalist bei einer Kirchenzeitung war. Desillusioniert zwar aber immer noch geprägt von einer Art Sendungsbewusstsein. Rätselhafte Afrikanerin Doch die Sprache und der Stil allein sind nicht mein Problem mit dem Buch. Es geht um den Inhalt. Die Geschichte ist ziemlich vertrackt: Der namenlose Erzähler gabelt auf einer Nostalgie-Reise durch Italien, auf der er seine Trauer über das selbstverschuldete Ende seiner Beziehung mit der Physiotherapeutin Lydia verarbeiten will, eine rätselhafte Afrikanerin auf. Die ebenfalls Namenlose ist aus ihrer afrikanischen Heimat geflüchtet und vertraut sich ihm und seinen Fahrkünsten an. Die Sache mit den Fotos Da weiß der Mann schon, dass es sich bei dieser Afrikanerin um die Frau handelt, von der es keine Fotos gibt. Denn statt der erwarteten Porträts sind aus unerfindlichen Gründen nur Szenen aus ihrem afrikanischen Dorf zu sehen. Ein gefundenes Fressen…
Was hat Wildnis mit Klimawandel zu tun? Der Klimagipfel in Glasgow beweist, wie wichtig globale Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung sind. Doch auch im kleineren Rahmen lässt sich einiges gegen die Klimaerwärmung erreichen. Der Bildband „Das wilde Herz Europas“ führt eindrucksvoll vor Augen, dass ein Umdenken Not tut. Was ist Wildnis? Man müsse den Bären als Hoffnungsträger für die wilde Natur akzeptieren, heißt es da etwa – ebenso wie Wolf und Luchs. Denn Wildnis dürfe nicht nur ein Sehnsuchtsort für Zivilisationsflüchtlinge sein, sie diene auch dem Schutz der Natur und unterstütze die Trendumkehr weg vom gedankenlosen Ausbeuten hin zu einem respektvollen Interagieren. Für die meisten Menschen sei Wildnis Natur pur, „verschont von den Eingriffen der Menschen und menschenleeres Terrain, in dem sich Fauna und Flora ungehindert ausbreiten können“. Dieses Ideal sei längst verloren und doch gäbe es auch in Europa noch Wildnis. Gefahren für die Wildnis Christine Sonvilla und Marc Graf machen sich in Mitteleuropa mit der Kamera auf die Suche nach der Wildnis. Dabei entdecken sie das Netzwerk von Mutterbäumen in Natur belassenen Wäldern, zollen dem Biber als Landschaftsarchitekt und „Ökosystem-Manager für artenreiche Biotope“ Anerkennung, konfrontieren die Betrachtenden mit der Schönheit mäandernder Flüsse und der Gefahr ihrer Zerstückelung und beleuchten…
Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe hat Afrika in den Focus der Aufmerksamkeit gerückt. Die schwarze Autorin und Filmemacherin wurde als „weithin hörbare Stimme Afrikas in den Gegenwartsliteratur“ ausgezeichnet. Wie sie versucht auch Jennifer McCann Afrika-Stereotypen aufzubrechen – als weiße Reisende. In ihrem schön aufgemachten Buch „Afrika ist kein Land“ erzählt die Biologie-Lehrerin von ihren Reisen – auch nach Simbabwe, wo sie die Ruinenstadt Groß-Simbabwe besucht hat, Reste einer Hochkultur, die bis heute verkannt ist. Hakuna matata – wirklich? McCann hat den schwarzen Kontinent auf unterschiedliche Art erlebt, als Helferin in einem Drogencamp, als Backpackerin im Dschungel, als Bergsteigerin auf dem Kilimandscharo. Sie ist als Beifahrerin auf dem Motorrad, in überfüllten Kleinbussen, im Zug und zu Fuß unterwegs und hat reichlich Gelegenheiten das afrikanische Mantra „Hakuna Matata“ (keine Sorge) auf seine Realitätstauglichkeit zu überprüfen. Zum Beispiel bei Scherereien an der Grenze zwischen Kenia und Uganda oder im Drogencamp, wo sie sich angesichts der Not der Menschen hilflos fühlt. Klischees und Realtität Immer wieder hinterfragt McCann sich selbst, den Sinn der Freiwilligendienste, ihr eigenes Handeln. Sie erlebt hautnah die Folgen des Kolonialismus aber auch die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen und bleibt doch als Mzungu (Weiße) eine…
Bernhard Schlink war Professor für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie und juristischer Ratgeber in der Wendezeit. Doch bekannt wurde der 1944 geborene Jurist als Schriftsteller mit dem 1995 erschienenen Roman „Der Vorleser“. Der Film mit Ralph Fiennes und Kate Winslet brachte Bernhard Schlink weltweite Bekanntschaft ein. Als Auto bleibt die deutsche Geschichte sein großes Thema. Das gilt nicht nur für sein erst kürzlich veröffentlichtes Theaterstück „20. Juli“, sondern auch für den neuen Roman „Die Enkelin“. Die Vertraute wird zur Fremden Im Mittelpunkt steht der Berliner Buchhändler Kaspar, der vor kurzem seine Frau Birgit verloren hat. In seiner Trauer sucht Kaspar nach Gründen für ihren Freitod und die Alkoholsucht. Er findet autobiographische Skizzen, die ihm eine Birgit vorführen, die er nicht kannte. Eine Frau, die an ihrer großen Lebenslüge zerbricht. Birgit ist zwar Kaspars wegen in den Westen geflohen, aber sie hat ihr – unwillkommenes – Baby im Osten zurückgelassen. Obwohl sie es sich immer wieder vornahm, hat sie sich nie darum gekümmert, was aus dem Mädchen geworden ist. Heimat in der völkischen Gemeinschaft Das übernimmt nun Kaspar, er macht sich im deutschen Osten auf die Suche nach der verlorenen Tochter. Was er findet, sind entleerte Landschaften und neue Nazis. Auch Birgits…