„Ich kann dir alles verzeihen, nur nicht, dass du stotterst,“ sagt eine der alten Frauen, die „Der Stotterer“ in dem gleichnamigem Roman von Charles Lewinsky mit dem Enkeltrick hereingelegt hat. „Von einem Stotterer kann man nicht träumen,“ resümiert der Mann, der in diesem Buch sein Leben erzählt. Dieser Johannes Hosea Stärkle kann zwar keinen geraden Satz sprechen, dafür fließen ihm die Worte beim Schreiben geradezu aus der Feder. Der Stotterer leidet an Schreib-Loghorroe, einer krankhaften Geschwätzigkeit. Vom Stotterer zum Bestseller-Autor Er schreibt nicht nur sein Leben auf – in Briefen an den „Padre“, wie er den Gefängnispriester nennt, und in einer Art Tagebuch. Nein, er erfindet auch Geschichten als eine Art „Fingerübung“ und beteiligt sich an einem Schreibwettbewerb. So erfolgreich, dass er zum Bestsellerautor werden könnte. Wobei auch diese Karriere einer großen Intrige zu verdanken ist, denn der Stotterer ist ein Meister der Manipulation. Mit seinen Briefen hat er den Padre dazu gebracht, ihm einen Job in der Bibliothek zu verschaffen, wo er zum Drogenkurier eines Mafia-Advokaten avancierte und später zum Schreiber fingierter Liebesbriefe. Darin war er schon als Schüler ein Meister. Er weiß um die Macht des Wortes, und er hat keine Skrupel, davon zu profitieren. In der Grauzone…
Ian McEwan stellt in seinem neuen aufregenden Roman „Maschinen wie ich“ nichts weniger als die großen Fragen unserer Zeit: Wie menschlich können Maschinen sein? Können Roboter Gefühle haben, Moralvorstellungen? Entwickeln sie womöglich selbstständig ein Bewusstsein und konkurrieren dann mit den Menschen? Was lässt sich programmieren und wo scheitert der Schöpfer? Adam und Eve heißen die Roboter in dem Roman, in dem sich der Mensch zum Schöpfer macht. 25 solcher humanoiden Roboter sind auf dem Markt, zwölf Adams, 13 Eves. Einen davon hat sich Charlie Friend geleistet, der Ich-Erzähler des Romans, ein Lebenskünstler, der nach etlichen gescheiterten Karriereversuchen mehr schlecht und recht vom Online-Aktienhandel lebt. 1982 in einer anderen Zeit Wir schreiben das Jahr 1982, und Ian McEwan ändert den Lauf der Geschichte: Er lässt Margaret Thatchers Rivalen Tony Benn an die Macht und später bei einem Attentat umkommen und John F. Kennedy ebenso am Leben wie John Lennon. Der 1912 geborene Computerpionier Alan Turig, der 1954 wegen seiner Homosexualität in den den Selbstmord getrieben wurde, ist bei McEwan auch noch unter den Lebenden und mitverantwortlich für das Projekt humanoider Roboter. Charlie bewundert den Mann, und er ist verliebt in seine Nachbarin Miranda, eine Studentin. Mit Adam will er auch ihr…
Die Bucket list ist ein alter Hut. Schon Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiteten Reisende „Pflicht-Sehenswürdigkeiten“ ab – die der Baedeker mit Sternchen versehen hatte. Da hatten Dampfschiff und Eisenbahn schon das „Massenreisen“ ermöglicht, und die wohlhabende Mittelschicht gönnte sich Pauschalurlaub in schwimmenden Hotels. Wer sich individuell auf Reisen begeben wollte, griff zum Baedeker. Der Baedeker war so zuverlässig wie unverzichtbar Die „Handbücher für Reisende“ im klassischen roten Einband profitierten auch davon, dass 1878 für Staatsdiener und später auch für Angestellte ein Anspruch auf Urlaub eingeführt wurde – Arbeiter und Dienstpersonal konnten davon nur träumen. Baedeker wurde zur Weltmarke, für Individualisten war er so zuverlässig wie unverzichtbar. Welche Ratschläge Karl Baedeker und seine Autoren ihren Lesern mit auf den Weg gaben, verrät das Handbuch für Schnellreisende. Nilkreuzfahrt: Zwei Büchsen Ochsenzunge und 60 Flaschen Medoc Für eine Nilkreuzfahrt etwa sollten die Reisenden ihren eigenen Vorrat organisieren, darunter z.B. so Unersetzliches wie zwei Büchsen Ochsenzunge oder zwölf große Büchsen Sardinen und immerhin 60 Flaschen Medoc (für drei Personen und zwei Reisemonate). Wenig Sympathie hatte der Autor für die Ägypter selbst, denen es bei Dienstleistungen vor allem ums Bakschisch gehe: „Man zahle nie früher,als bis alle Dienste geleistet sind und zwar…
402 Nächte, 119 Schlafplätze in 13 Ländern und auf vier Kontinenten: Der österreichische Fernsehjournalist Jakob Horvat hat es sich nicht leicht gemacht beim Entdecken der Welt, und er hat zwischendurch auch mit seiner Idee gehadert, allein und ohne großen Komfort unterwegs zu sein. Am Ende seiner langen Reise „rein ins Leben“ ist er aber überzeugt davon, dass ihm zwar viel erspart geblieben wäre, wenn er sich nicht „raus aus der Komfortzone“ begeben hätte, dass er aber vor allem viel versäumt hätte. Und davon berichtet er in dem Buch Weltnah. Offene Türen nach holprigem Start Alles fing mit der Idee des norwegischen Freundes Martin an, einmal um die Welt zu reisen ohne zu fliegen, also meist per Anhalter. Zwar ist der Start in Wien etwas holprig, aber auch da tun sich neue Türen auf. „Du bekommst nicht viele Möglichkeiten im Leben, um deine Zeit so zu verschwenden wie wir das gerade tun,“ stellt Martin fest. Und Zeit verschwenden müssen die beiden noch öfter. Denn zwei trampende Männer haben es nicht leicht, eine Mitfahrgelegenheit zu finden und später dann auch noch ein Boot. Doch sie geben nicht auf und werden belohnt: Mit neuen Bekanntschaften, mit Entdeckungen und einem wachsenden Vertrauen in die…
Der Übersetzer ist bekannt: Der deutsche Schriftsteller Christoph Hein hat den Roman von Philipp Lyonel Russell „Am Ende ein Blick aufs Meer“ in einem kongenial heiteren Plauderton ins Deutsche übertragen. Erzählt wird das Leben des erfolgreichen britischen Autors P.G. Wodehouse (1881 bis 1975). Wodehouse, im Leben mit dem Spitznamen Plum (Pflaume) geschlagen, heißt bei Russell Frederick Bingo Mandeville und war wie sein Vorbild schon als Kind ein Possenreißer. Doch wer ist Philipp Lyonel Russell? Mastermind mit Pseudonym Ein Pseudonym heißt es beim Verlag. Der Mann, 1958 in England geboren, lehre in den USA und habe sich als „Mastermind der National Science Foundation einen Namen gemacht“. Weil das englische Original zur Hein-Übersetzung nicht vorliegt, hat sich Lothar Müller von der SZ auf Spurensuche gemacht und den Übersetzer befragt. Hein gab Auskunft: Den vom Autor „sehr gut honorierten“ Auftrag habe er von einer renommierten Wiener Kanzlei erhalten. Wie auch immer, der locker erzählte Roman über einen Mann, der „das Paradies der Kindheit nie verließ“ (Müller) gibt eine Ahnung davon, wie Menschen in Kriegszeiten Realität ausblendeten: „Für die amerikanischen Bewohner der Hamptons war dieser Krieg auf dem fernen Kontinent so aufregend und bedeutungsvoll wie irgendein beliebiges Football-Turnier…Man verfolgte gelegentlich und unberührt die Ereignisse,…
Ein bisschen was hat diese Explorer Academy von Hogwarts, dem Zauberer-Internat von Harry Potter. Doch im Internat, in dem der junge Hawaiianer Cruz lernt, geht es nicht um Zauberei, sondern um Forschung. Und Cruz fühlt sich dem Erbe seiner Mutter verpflichtet, die angeblich bei einem Labor-Unfall ums Leben kam, als er noch klein war. Doch seine Mom hat ihm eine Botschaft hinterlassen, und allmählich dämmert es Cruz, dass ihr Tod kein Zufall war. Das heilbringende Serum war ihr Todesurteil Sie hat ein heilbringendes Serum entwickelt, das viele Medikamente unnötig gemacht hätte. Unterstützt wurde sie bei ihren Forschungen von der Pharmafirma Nebula. Und der konnte das Ergebnis nicht gleichgültig sein, das wusste auch Cruz Mutter: „Das Letzte, was eine Pharmafirma, die Milliarden von Dollar an Medikamenten verdient, will, ist, dass die Menschheit diese Medikamente nie wieder braucht.“ Unter dem Druck von Nebula und aus Angst um ihre Familie vernichtete sie das Serum. Aber die Formel gravierte sie auf ein Stück schwarzen Marmors, den sie in acht Teile aufteilte, die sie auf der ganzen Welt versteckte. Ein verschlüsseltes Tagebuch soll Cruz nun helfen, die Formel zu finden. Gute Freunde und lebensgefährliche Abenteuer Im ersten Teil „Das Geheimnis um Nebula“ wird Cruz‘ Geschichte…
Im Original heißt das Buch von Ann Weisgarber „The Glovemaker“, denn Deborah, die Hauptfigur, ist Handschuhmacherin. Die deutsche Ausgabe trägt den Titel „Unter Heiligen“ und weist damit schon auf einen ungewöhnlichen Inhalt hin. Die amerikanische Autorin nimmt ihre Leser mit in eine für uns fremde Welt, die der Mormonen Ende des 19. Jahrhunderts. Wie ihr Mann Samuel und ihr Schwager Nels ist Deborah Mormonin. Leben in einer „Dazwischenwelt“ Doch ihre Familie praktiziert nicht die vom „Propheten“ Joseph Smith propagierte und von den US-Behörden verbotene Vielehe. In der Schlucht, in der sie sich mit einigen anderen Familien niedergelassen haben, leben sie zwar nach den Geboten ihrer „Kirche“ in einer Art „Dazwischenwelt“. Weil Männer, die mehrere Frauen haben, von der Polizei verfolgt werden, helfen Samuel und Nels ihnen, zu einem geschützten Unterschlupf zu kommen. Das hat sich herumgesprochen. Als Deborah mal wieder allein ist, weil Samuel sein Geld als fahrender Radmacher verdient, klopft ein Mann an ihre Tür. Die Außenwelt als Spiegel der Innenwelt Damit beginnt ein Drama, das Weisgarber aus den Perspektiven von Deborah und Nels schildert, wobei die winterliche Szenerie in der abgeschiedenen Schlucht zum Spiegel der inneren Zerrissenheit der Protagonisten wird. Beide sind fest verwurzelt in ihrem Glauben und…
Er kennt die Szene. Massimo Carlotto, 1956 in Padua geboren, hat selbst Erfahrung mit Gerichten, Richtern und Gefängnisinsassen. Er geriet unter Mordverdacht, wurde verurteilt, war jahrelang auf der Flucht und saß bis zu seiner Begnadigung sechs Jahre hinter Gittern. Diese Erfahrungen machen die Krimis des Italieners so authentisch. Carlotto kennt die harte Sprache der Kriminellen, ihre Skrupellosigkeit – und ihre Verletzlichkeit. Überleben ist eine Frage der Würde In dem neuen Roman „Blues für sanfte Halunken und alte Huren“ spielen drei „gute“ Gauner die Hauptrolle. Auf der Gegenseite: Eine ebenso schöne wie skrupellose Dottoressa im Innenministerium, der sadistische Mörder Pellegrini, der nicht tot zu kriegen ist, Zuhälter und ein paar Drogenhändler. Carlotto-Kenner werden sich über ein Wiedersehen mit dem „Alligator“ Marco Buratti und seinen beiden Freunden Max und Beniamino Rossini freuen, die nach dem Motto leben: „Dass man in diese schlimmsten aller Welten überleben muss. Um jeden Preis. Und dass das eine Frage der Würde ist.“ Drei Gute Gauner und eine skrupellos Dottoressa Das Milieu wird nicht nur in Italien erkundet, auch in Wien und München hat die Mafia ihre Netze ausgelegt. Die schöne Dottoressa spinnt eifrig mit und merkt dabei nicht, wie sie sich im eigenen Netz verfängt. Sie hat…