Robin ist 15, ein durchschnittlicher Junge, unauffällig bis zur Unsichtbarkeit, ein Einzelgänger. Unglücklich. „Gott schuf seine Welt an sechs Tagen. Es dauerte eine Nach, die meine zu zerstören. Meine behütete Kindheit war Bruch und Schutt,“ lässt Antje Herden ihren Anti-Helden berichten. Und dann tritt Leo in sein Leben. Leo, der sich um nichts schert, der cool ist und „keine halben Sachen“ macht. Er verführt Robin zum Kiffen, Saufen und dazu, Nächte lang durchzufeiern. Da kann Nils’ Mutter sagen, was sie will. Robin hört nur mehr auf seinen Freund: „DAS war es also. Das gute Leben, Indem alles stimmte. Das ich im Griff hatte. In dem ich wichtig und mein eigener Superheld war. Schön. Stark. Klug. Selbstbewusst.“ Zuerst der Freund, dann das Mädchen Er ist das Du, dem er alles erzählt – bis er Karla trifft, für ihn das schönste Mädchen der Welt, und ihre Freundin Anna. Schnell verfällt Robin Karla, bald kennt er nichts mehr außer ihr: „Später tanzten wir. Irgendwo mitten im Wald. Ewig. Dazwischen Küsse. Ich liebte. Karla. Den Wald. Die Beats. Die anderen. Ich wollte sie alle umarmen. Aber ich umarmte nur Karla. Denn sie war die Welt.“ Und als das Mädchen nach dem ganz großen Kick…
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen,“ weiß der Volksmund. Der Journalist und Autor Eberhard Neubronner hat sich die Weisheit zu Herzen genommen und erzählt in dem Buch „Die Insel Farewell“ zehn Geschichten von seinen Reisen. Dabei erweist sich Neubronner als aufmerksamer und neugieriger Reisender, der gern mit den Menschen ins Gespräch kommt. Und er ist Journalist genug, um die Dinge nicht unhinterfragt zu übernehmen. Reisen in die Geschichte Wo nötig, liefert er den geschichtlichen Hintergrund zu den Erzählungen der Menschen, die er getroffen hat. Die Leser reisen mit Eberhard Neubronner in den hohen Norden, in die sturmumtosten Orkney-Inseln, sie wandern mit ihm über die schottischen Highlands, schippern entlang der bretonischen Küste, machen sich mit Oma Else auf Spurensuche im heutigen Kaliningrad. Und immer wieder stoßen sie auf deutsche Geschichte, auf das, was übrig blieb von der Hybris des „Dritten Reichs“, auf Erinnerungen an die Bomber des Zweiten Weltkriegs und das Grauen des Holocaust. Eberhard Neubronner schreibt über das traurige Ende einer Insel-Utopie und über die dem Untergang geweihten Frachtschiffe auf Frankreichs Flüssen. Ehrliche Auskünfte und echte Geschichten Er ist einer, der weiß, dass man die Gegenwart nicht ohne die Vergangenheit verstehen kann und er ist einer,…
„Wohin sind die Götter verschwunden?“ fragt sich Olivier Föllmi, als er 30 Jahren nach Tibet zurückkehrt, in das Land, das ihn als jungen Mann so verzaubert hat, dass er 20 Jahre lang fotografierend durch den Himalaya gewandert ist. Für ihn ist die Fotografie die wichtigste Stütze seiner Meditation. Und bevor er sich im von China geprägten Tibet auf Pilgerreise zum heiligen Berg Kailash begeben kann, muss er „zurück zu meinem inneren Tibet“ finden und sich in den Zustand des „Bardo“ begeben, „des Bewusstseinszustands zwischen zwei Leben“. Göttlich wirkende Landschaft Dahin werden ihm die wenigsten Leser folgen können. Aber sie werden die großartigen Aufnahmen des vielfach ausgezeichneten Fotografen lieben: Die tatsächlich göttlich wirkende Landschaft. Die Gesichter der Tibeter – alte, wettergegerbte von Falten durchzogene und junge, glatte mit offenen Augen. Die Farben der Gebetsfahnen im Wind und unter Schnee. Sie werden Föllmis Faszination für Lama Govinda, einen Deutschen, verstehen lernen, dessen Buch „Der Weg der weißen Wolken“ für die Reisen des Fotografen zur Bibel wurde. Und sie werden Föllmis Freund, den Ausnahme-Informatiker Jean-Marie Hullot kennenlernen, der ebenso wie Föllmi vom Buddhismus durchdrungen ist und mit ihm diese Pilgerreise zum Kailash unternimmt. „Straßenwalze des Fortschritts“ Auch er sieht in Lhasa „die Straßenwalze…
Das noch unveröffentlichte Manuskript hat Dolores Redondo 2016 den höchstdotierten Literaturpreis der spanischen Welt, den Premio Planeta, eingebracht. Jetzt ist der kunstvoll ge- und verwobene Krimi auf Deutsch erschienen – unter dem Titel „Alles was ich dir geben will“. Zentrale Figur ist der Schriftsteller Manuel Ortigosa, der im schönen Galicien nicht nur dem Doppelleben seines verunglückten Mannes Alvaro auf die Spur kommen will, sondern seine Erfahrungen auch zu einem Roman verarbeitet. Denn Manuel muss mit schwindenden Sicherheiten klar kommen. Alles, was er bisher geglaubt hat, stellt sich als trügerisch heraus. Falsche Fährten erhöhen die Spannung Während er zusammen mit dem griesgrämigen Ex- Polizisten Nogueira und Alvaros Freund und Beichtvater Lukas Nachforschungen zum Tod des Freundes anstellt, während er auf dem gräflichen Landsitz immer tiefer in dunkle Familiengeheimnisse vordringt, erlebt der Schriftsteller ein Wechselbad der Gefühle. Nichts ist so wie es scheint oder scheint so zu sein. Dolores Redondo legt geschickt falsche Fährten, verwirrt mit Fehlinformationen und immer neuen Schauplätzen und bringt zum guten Ende gar Übersinnliches ins Spiel. Bis dahin gibt es weitere Tote, und Manuel lernt eine ganz neue Seite seines verstorbenen Mannes kennen. Je mehr er hinter die prächtigen Kulissen des Schlosses und seines Gartens blickt, hinter den…
Sie hat‘s wieder getan, hat wieder das Lebensrecht der Tiere verteidigt – in einem Krimi. Nicola Förg kann nicht anders. Die Tierfreundin und Naturliebhaberin in ihr kommt immer wieder durch. Mal geht es in ihren Krimis um überzüchtete Haustiere („Scharfe Hunde“), mal um die Gülle-Gefahr auf dem Land („Stilles Gift“) und diesmal um den Wolf in den Alpen. Und nicht nur um ihn, sondern auch gleich noch um Kühe mit und ohne Hörner. Kuh-Attacke auf der Alm Sie weiß um den Streit der Landwirte um Hornkühe und enthornte Rinder. Und noch bevor das Urteil gegen einen Tiroler Bauern nach einer tödlichen Kuhattacke die Gemüter erhitzte, hatte Förg schon so einen Fall durchgespielt, allerdings ohne tödlichen Ausgang. Da war die Autorin ihrer Zeit voraus. Diesmal ist Irmi Mangold eigentlich nicht als Kommissarin unterwegs, sondern als Hobby-Sennerin auf Zeit auf einer Alm. Doch schon bald holt sie ihr Job wieder ein. Merkwürdige Vorfälle häufen sich seit die Alm zur Kommandozentrale von Wolfsforschern geworden ist. Unruhen an der Wolf-Front Die Wolf-Feinde machen massiv Front gegen den vermeintlichen Eindringling und seine Freunde. Eine Frau wird von aggressiven Kühen (mit Hörnern) verletzt, und Irmi, die auf der Alm so etwas wie den Himmel auf Erden zu finden…
Er war nie so recht angepasst. „Graffiti und Drogen waren neben schlechten Noten und Fehlstunden die größten Konstanten meiner Jugend,“ bekennt Carlo Drechsel gleich zu Anfang seines Buches. Wer nach diesem Geständnis einen oberflächlichen Roadtrip erwartet, wird in Insight Africa positiv überrascht. Der Surfer, der nach dem Motto „mal spontan durch Afrika fahren und gucken, was passiert“ von Afrikas Surfer-Mekka Agadir aufgebrochen ist und auf seinem Trip durch 25 Länder selbst im Herzen der Finsternis extreme Hilfsbereitschaft und große Gastfreundschaft erlebt hat, nimmt die Leser mit auf sein Afrika-Abenteuer – auf goldene Tage weit weg vom Handy-Empfang genau so wie auf extreme Erfahrungen mit der Angst um sein Leben und vor Aids. Mikroidylle im Makrowahnsinn Im Land der Dogon entdeckt er Dörfer „wie aus tausendundeiner Nacht… Keine Straße, kein elektrischer Strom, keine Polizei, kein Militär, kein Metall, kein Plastik“ und die Seelenverwandtschaft mit einem 16-jährigen Analphabeten. An Nigerias Grenze muss er die „Robbery Squads“ überwinden, Zoll- und Polizeibeamte, die nicht nur die Hand aufhalten, sondern auch Unwillige mit der Waffe bedrohen. In Lagos erkennt er „eine failed City, die irreversibel und auf Ewigkeit dem Wahnsinn anheimgefallen ist“ und genießt doch als Surfer eine „Mikroidylle im Makrowahnsinn“. Was ist wirklich typisch…
Der kleine Vortragssaal im Annahof füllt sich. Nino Haratischwili – ganz in Schwarz, roter Schal, roter Mund – ist pünktlich und sagt gleich, dass sie nicht nur lesen wird. Die gebürtige Georgierin, die heute in Berlin lebt und 2018 in Augsburg mit dem Brechtpreis ausgezeichnet wurde, will den Dialog. Zuerst aber erzählt sie, wie sie zu ihrem neuen Buch „Die Katze und der General“ gekommen ist, das zum Teil in Tschetschenien spielt. Inspiriert wurde sie von Anna Politkowskaja, jener mutigen Journalistin, die wohl wegen ihres Engagements für Tschetschenien ermordet wurde. Der Zauberwürfel und die Struktur Was sie vor allem interessiert habe, war die Frage „Wie werden Menschen zu Tätern?“, sagt Nino Haratischiwili. Diese Frage wurde der rote Faden für ihr neues Buch, das ihren Lektor in seiner komplexen Struktur – zwei Zeitebenen, drei Erzähl-Perspektiven – an einen Zauberwürfel erinnerte. In dem ersten Kapitel, das die Schriftstellerin für ihre Lesung ausgesucht hat, spielt so ein Zauberwürfel eine wichtige Rolle, im zweiten geht es um Haratschwilis Wahlheimat Berlin und die dort lebenden Exil-Georgier, -Russen, -Ukrainer. Der Kaukasische Kreidekreis als Anstoß Ihre warme Stimme trägt die Geschichte, aber auch im Gespräch überzeugt sie mit einem makellosen, akzentfreien Deutsch. Sie habe schon in Tiflis…
Andreas Neuenkirchen ist mit einer Japanerin verheiratet, Vater einer kleinen Tochter und lebt in Tokio, Japans hässlich-schönster Stadt, wie er meint. Der Wahl-Tokioter hat sein Faible für alles Japanische schon mehrmals in Büchern verarbeitet, unter anderem in Krimis (mit Inspektor Sato). Kirschblüte am umstrittenen Schrein Diesmal nimmt er die Leser mit nach Tokio und macht sie vertraut mit allerlei Skurrilem wie Love-Hotels, Convenience-Stores, Karaoke-Kabinen oder dem Radfahrer-Slalom auf den Fußwegen und den Erdbeben sicher verankerten Möbeln. Natürlich auch mit dem Hype um die Kirschblüte, für Neuenkirchen so etwas wie Japans fünfte Jahreszeit. Offiziell eröffnet wird sie ausgerechnet am umstrittenen Yasukumi-Schrein, wo Japan seiner Kriegstoten gedenkt, darunter auch international verurteilter Kriegsverbrecher. Anders als Deutschland hat Japan wenig Probleme mit seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg, hat der Autor erfahren, der schon mal nach Hitler gefragt wird. Der Alltag als Vater Sein Buch über Tokio ist kein Reiseführer, der Insider-Tipps auflistet und Sehenswürdigkeiten abbildet. Neuenkirchen nimmt die Leser vielmehr mit in seinen Alltag als Vater, der sich unter „all den anderen Müttern“ behaupten muss und der seine „fünf Stunden Erwachsenenqualitätszeit“ auskosten will. Gerne stillt er seinen Hunger auch mal in einem Nudelrestaurant, genießt die Ruhe in einem Café und greift auch hin und…
Es sind Bilder aus einem unbekannten Bayern, die den Leser empfangen, ehe Hans Kratzer den Titel „Zeitlang“ erläutert: „Ein Gefühl, das den Kern der menschlichen Existenz berührt.“ Das von Deutschlehrern verpönte und doch so poetische Wort drückt für Kratzer „nicht nur Heimweh und Sehnsucht aus“, sondern auch Langeweile. Eine wichtige Erfahrung, die den Kindern durch „die Omnipotenz des Smartphones“ geraubt werde. Wandel der Landschaft Fotograf Sebastian Beck liefert die Bilder zu den nostalgisch-melancholischen Texten, die den Wandel in der bayerischen Landschaft ebenso bedauern wie den Verlust der Schönheit. „Die Metamorphose vom Agrarland zur Industrieregion war von einer Radikalität ohnegleichen,“ konstatiert Kratzer und trauert den stillgelegten Bauerndörfern nach und den Wiesen, die unter Beton verschwunden sind. Die puppenstubenhaft herausgeputzten Neubauten und die bepflanzten Milchkannen können seiner Meinung nach das Verlorene nicht ersetzen: „Die Häuser umgibt ein großes Schweigen.“ Bayerische Geschichten und Gesichter Es sind so poetische wie kritische Gedanken, die Kratzer notiert hat und die Beck mit seinen Fotos eindringlich untermalt. Da sieht man bayerische Landschaften zwischen Spargelfeldern unter Plastikröhren und Wälderidylle, bayerische Gesichter vom kernigen Landwirt bis zum gepiercten Bartträger, bayerische Frömmigkeit von Altötting bis zum Gipfelkreuz. Die alte Wirtshaustradition „Herzkammern der Kommunikation, der Geborgenheit, des Lebens überhaupt“ vermisst der…
Ganz schön ambitioniert: Ein Wanderbuch als Zeitreiseführer, angefangen bei der Urgeschichte über die Aborigines und die Religionsgründer Buddha und Jesus bis zu Pilgerfahrten, Handelsrouten und den Expeditionen der großen Entdecker – und schließlich dem Freizeittourismus unserer Tage. 500 Walks auf 400 kompakten Seiten. Da finden sich denn auch so unterschiedliche Wanderungen wie der Inka-Trail in Peru, der Polarkreisweg in Grönland, der Hillary Trail in Neuseeland oder der Berliner Mauerweg. Unterschiedlichste Wanderwege Für manche der Wege in 500 Walks braucht man viel Zeit, gute Kondition und starke Nerven, für andere gerade mal ein paar Stunden. Manche Wege füllen mehrere Seiten, für andere muss eine Kürzestbeschreibung reichen. Eine außergewöhnliche Herausforderung ist der Great Himalaya Trail mit 1706 Kilometer. Auch die Alpendurchquerung, bei der es auf 2495 Kilometern immer wieder über schwindelerregende Steige geht, verlangt viel Ausdauer und Trittsicherheit. Mit einer Länge von 500 Kilometern ist der Paulusweg in Westanatolien dagegen fast schon ein Spaziergang – allerdings ein anstrengender. Weniger anstrengend wenn auch mit 600 Kilometern etwas länger ist die Via Claudia Augusta auf den Spuren römischer Legionäre. 29 Tage sollte man rechnen, um von Trient über den Reschenpass und das Lechtal bis nach Donauwörth zu kommen. Den Jakobsweg kennt jeder (780 Kilometer…