Das muss man dem Franzosen Grégoire Hervier schon lassen. Er versteht sein Handwerk und hat sein Thema gründlich recherchiert. Der Roman „Vintage“ dreht sich um Kult-Gitarren und lädt zu einer Zeitreise bis zu den Anfängen der Blues- und Rockmusik, die Hervier bis in die 1920er Jahre zurückdatiert. Das Ganze verpackt in eine kriminalistische Spurensuche, die den Helden, einen mäßig erfolgreichen Pariser Musikstudenten und Journalisten namens Thomas Dupré, über den großen Teich und bis nach Australien führt. Eine Prise Okkultismus und schwarze Magie Der ohnehin schon spannende Roadtrip wird durch Anspielungen auf Okkultes und finstere Machenschaften noch aufregender: „Ich war auf der Suche nach der wertvollsten Gitarre aller Zeiten, einem fluchbeladenen Instrument, das hervorbrachte, was so manchen als Musik des Teufels galt.“ Auch der Auftraggeber dieser Suche, ein angeblicher Lord Winsley, der in einem Landhaus wohnt, das Jimmy Page von Led Zeppelin gehört und in dem der schwarze Magier Aleister Crowley eine Zeitlang als Laird of Boleskine residiert hatte, ist eine zwielichtige Figur. Doch sein Auftrag, den verschollenen Prototyp der „Moderne“, eine wertvollen Gitarre aus dem Hause Gibson, zu finden, ermöglicht Thomas nicht nur eine Weltreise, sondern macht es ihm auch möglich, in die Gründungsmythen der Rockmusik einzutauchen. Der Mythos der…
„Vier Jahre am Fließband die Drehmaschine überwachen und weitere achtundzwanzig auf einem Gabelstapler – das bin ich… Ein Roboter, kein Mensch. Ein mechanischer Arm, kein Herz.“ Der Ich-Erzähler ist ein älterer Mann, der sein Leben verpasst hat – zuerst in der Fabrik, dann im Gefängnis. Wie es dazu kam, davon erzählt Marco Balzano in dem Roman „Das Leben wartet nicht“. Eine Kindheit in extremer Armut Alles beginnt Ende der Fünfziger Jahre in einem sizilianischen Dorf, wo der kleine Ninetto, so heißt der Erzähler, aufwächst, in extremer Armut. Den Spitznamen Pelleossa, Haut und Knochen, behält er sein Leben lang. Der Kleine ist ein guter Schüler, er hätte womöglich eine bessere Zukunft vor sich; aber nach dem Schlaganfall seiner Mutter schickt ihn der gewalttätige Vater nach Mailand, um Geld zu verdienen. Nach der Strafe ist das Leben ein anderes Der Bub wurstelt sich so durch, geht mit 15 in die Fabrik, heiratet und wird Vater einer Tochter. Jahre später bringt ihn ein unglücklicher Zwischenfall ins Gefängnis. Als er seine Strafe abgebüßt hat und wieder frei kommt, erkennt er, dass das Leben nicht auf ihn gewartet hat. Seine Tochter hat den Kontakt mit ihm abgebrochen, die Enkelin kennt ihn nicht einmal. Das bittere…
„Sie macht keine Mühe, am liebsten steht sie und schaut.“ Was die Mutter über die kleine Olga gesagt hat, könnte auch für die erwachsene und später die alte Olga gelten. Und doch ist diese scheinbar so angepasste Olga eine starke Frau, eine Frau, die sich durchsetzt gegen alle Widrigkeiten. Olga will nur ihren Herbert Eine einzige große Liebe gibt es in ihrem Leben: Herbert, der Sohn des Gutsherrn. Die Verbindung ist aussichtslos, denn Olga kommt aus armen Verhältnissen und Herberts Eltern würden sie nie als Schwiegertochter akzeptieren. Und doch überlebt diese Liebe, denn Olga lässt Herbert seine Freiheit und seine Abenteuer, ja sie lässt ihm auch seinen „Herrenstolz“, will nichts wissen vom Schlachtfeld in Namibia und dem Mord an den Herero, will nur ihren Herbert, sein Strahlen, seine Begeisterung. Die Heldenträume enden in der NSDAP Doch dann bricht Herbert auf zu einer Expedition ohne Wiederkehr, und Olga bleibt mit ihren Erinnerungen zurück – und mit dem kleinen Eik, dem sie Herbert als Helden präsentiert – so lange, bis der Junge selbst Heldenträume träumt und in die NSDAP eintritt – gegen Olgas Wunsch und Vorstellung. Aber sie hat bald ohnehin nichts mehr zu sagen, verliert nach einem Fieber ihr Gehör und…
Irgendwie hat Barbara Kenneweg das mit der Midlife-Krise falsch verstanden. Die Generation Y ist noch lange nicht soweit. Oder doch? in ihrem Roman „Haus für eine Person“ nimmt sich die 46-Jährige der Generation Y an, verkörpert durch Rosa Lux. Die 31-Jährige leidet an ihrem Leben, sie hat sich von ihrem Freund getrennt und ist aufs Land gezogen. Die Nachbarschaft überfordert Weg aus der Berliner Tristesse, zurück zur Natur, dahin wo die Nachbarn einander noch kennen. Doch auch da ist die junge Frau überfordert. Im Einkaufszentrum überfällt sie die Erkenntnis: „Ich vertrage die soziale Realität nicht, bin ein Snob.“ Ein Snob ohne Geld und ohne Job. Ihre Gedankenmonologe kreisen vor allem um sich selbst, daran kann auch eine unverhoffte Schwangerschaft nichts ändern. Sie macht Rosa nur noch träger. Die Schwangerschaft noch mehr Die junge Frau kann sich zu nichts aufraffen, weder dazu, die nette alte Nachbarin im Krankenhaus zu besuchen, noch dazu, sich auf die Geburt vorzubereiten. Auch wenn die Leser ihren Kulturpessimismus zeitweise teilen können – da liefert Kenneweg einiges mit Wiedererkennungswert – die penetrante Larmoyanz Rosas, ihre fast schmerzhafte Trägheit nerven mit der Zeit, überfordern die Empathie. Erst recht zum Schluss, als Rosa ihr Baby zur Welt bringt –…
„Unser Alltag besteht aus verpassten Umarmungen. Aber im Grunde ist das alles nur Taktik, damit die unerwarteten Umarmungen dann umso schöner sind.“ Matteo Bussola hat sich eingerichtet im Vater- und Ehemann-Sein. Der studierte Architekt hat drei Töchter – Virginia, Ginevra und Melania – und verdient inzwischen sein Geld als Comic-Zeichner. Die kleinen Mädchen sind neugierig, frech und trotz aller Einschränkungen, die drei Kinder für die Partnerschaft bedeuten, Vaters Lieblinge. Warum das so ist, hat Bussola auf Facebook dokumentiert und mit seinen Alltags-Posts jede Menge Menschen begeistert. Denn die drei kapriziösen Persönchen haben ihre ganz eigenen Ansichten vom Leben, von der Liebe und vom Jenseits. Dass Erwachsene der kindlichen Logik nur wenig entgegenzusetzen haben, schildert Bussola in vielen kleinen Episoden – manche eher banal, andere witzig, die meisten anrührend. Der Italiener hat viel gelernt von seinen Töchtern – auch über sich selbst. Er hat gelernt, früh aufzustehen, um wenigstens ein paar Stunden Zeit für sich und seinen Job zu haben. Er hat gelernt, sein Bett nicht nur mit einer Frau, sondern hin und wieder auch deren mehreren zu teilen. Er hat gelernt, auch auf die skurrilsten Fragen Antworten zu finden. Und er bewundert seine Töchter, die für ihn kleine Philosophinnen sind,…