„Immer, wenn zwei Menschen ein Paar werden, verändern sie sich ein Stück weit. Sienehmen vielleicht neue Interessen des Partners an oder lassen alte Gewohnheiten sein. Das ist ganz normal und wird meistens akzeptiert. Be3i uns schauen dagegen alle ganz genau hin und unterstellen uns, dass unsere unterschiedlichen Kulturen und Religionen ‚schuld‘ daran seien.“ Eine Deutsche und ein Israeli werden ein Paar Natürlich ist bei einem deutsch-israelischen Paar vieles anders als bei anderen Paaren. Noch dazu, wenn die beiden gleich zwei Mal heiraten: christlich und jüdisch. Auch die deutsche Schauspielerin Claudia Schwartz weiß, dass ihre Liebesgeschichte etwas Besonderes ist. Sonst hätte sie wohl dieses Buch nicht geschrieben. „Meschugge sind wir beide“ heißt es und erzählt, wie Claudia und der israelische Komponist Shaul Bustan ein Paar geworden sind. Zwischen Geschichte und Gegenwart Anfangs war alles so wie es bei anderen Paaren auch ist: Ein Mann und eine Frau verlieben sich in einander. Doch beiden ist schnell bewusst, dass es auch viel Trennendes gibt, vor allem die Geschichte der Großeltern. Shaul kommt aus einer Familie von Holocaust-Überlebenden, Claudias Großvater diente in der Wehrmacht. Wie sollen die Enkel mit dieser Geschichte leben? Für Shaul scheint das Ganze weniger kompliziert als für Claudia. Das liegt…
Unsere Gesellschaft wird älter und muss sich eingestehen, dass manche Vorurteile überholt sind. Zum Beispiel, dass alte Leute mit einem Leben am Rand der Gesellschaft zufrieden sind, dass es ihnen genügt, ihre Enkelkinder auf den Knien zu schaukeln. Dass Liebe und Sex endgültig vorbei sind. Die Realität sieht anders aus: Politiker bleiben bis ins hohe Alter aktiv, Kleriker kommen erst ab einem gewissen Alter zu Papst-Ehren und selbst der Normalbürger mischt sich auch als Rentner noch ein. Und selbst die Liebe macht nicht halt vor dem Alter. Aber noch immer grenzt es an ein Tabu, wenn alte Leute sich zusammen und womöglich „es“ tun. Das Unsagbare „in ihrem Alter“! Zwei einsame Alte finden zusammen Kent Haruf hat darüber ein ebenso berührendes wie nachdenklich machendes Buch geschrieben. „Unsere Seelen bei Nacht“ erzählt davon, wie sich zwei einsame Alte zusammenfinden und wie die Gesellschaft alles tut, um sie wieder auseinander zu bringen. Was in der Kleinstadt in Colorado geschieht, könnte ebenso in einem Allgäuer Dorf passieren. Da, wo jede jeden kennt, wo die Fenster Augen und die Türen Ohren haben. Dabei ist die Idee der 70-jährigen Witwe Addie ganz sympathisch. Sie fragt ihren ebenfalls alleinlebenden Nachbarn Louis, ob er nicht ab und…
Wie sich die Zeiten gleichen: Landliebe war vor gut 200 Jahren in England ebenso angesagt wie heute, Bücher über Design und Gärten florierten. Und ebenso wie heute waren die Zeiten kritisch: Die Französische Revolution fegte alles hinweg, was bis dahin als sicher galt, Napoleon überzog Europa mit Kriegen und veränderte die Weltordnung. Und Jane Austen? Schrieb über den englischen Landadel, über Vernunft und Gefühl, Stolz und Vorurteil. Gallig kommentierte John Updike das Fehlen jeglichen politischen Hintergrunds in den Austen-Romanen: „Für Jane Austen war Napoleon der Grund dafür, dass die englische Landschaft so sparsam mit künftigen Ehemännern ausgestattet war.“ Jane Austen wird mit Dickens und Shakespeare verglichen Und heute: Die Welt ist in Aufruhr, Hunderttausende fliehen vor Krieg und Elend, und Jane Austens Romane sind so beliebt wie schon lange nicht mehr. Ist es die Flucht aus der Realität, zu der ihre Romane einladen, die Sehnsucht nach einer geordneten, überschaubaren Welt? Oder ist Jane Austen wirklich die große Schriftstellerin als die sie zu ihrem 200. Todestag gerühmt wird, vergleichbar mit Dickens und Shakespeare? Ihren Zeitgenossen blieb die Pfarrerstochter lange Zeit eine Unbekannte. 1811, da war sie 36 Jahre alt, erschien „Sense and Sensibility“ mit der schlichten Autorenangabe: „By a lady“. Erst…
Am 14. Juli 2016, vor einem Jahr, starb Péter Esterházy, da war der studierte Mathematiker und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 66 Jahre alt. Das Ende seines Lebens hat der ungarische Autor in einem „Bauchspeicheldrüsentagebuch“ verarbeitet, das teilweise verstörend ehrlich die mit seiner Krebserkrankung einhergehenden Veränderungen seines Körpers und seines Alltags schildert. Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs trifft ihn völlig unerwartet. Am 24. Mai 2015 beginnt er sein Tagebuch. Die Drüse drängt sich ihm auf wie eine verschmähte Geliebte Es ist der Versuch, mit den Mitteln der Sprache die Hoheit über sein Leben zurückzugewinnen. „Ich versuchte, versuche, das Unheil am Schlafittchen zu packen. Es unter das Joch der Sätze zu zwingen,“ schreibt er im ersten Eintrag. Er berichtet über sich, die Krankheit, die Familie, das Leben. Er isst, was ihm schmeckt, liest, was ihn tröstet, fragt nach, was ihm fehlt und beschäftigt sich intensiv mit dem Organ, das sein Leben bedroht. Die bislang unbeachtete Drüse drängt sich ihm auf wie ein unwillkommene Geliebte. Mutzi nennt er sie, Bauchspeichelchen, B., wenn er mit ihr streitet und manchmal auch flirtet. Ist sie doch ganz und gar die seine – bis zum Tod. Sie ärgert ihn nicht wie die Freunde oder Bekannten, die ihn aufzumuntern versuchen…
Er war ein stiller Mensch, aber er konnte auch laut werden, wenn er Ungerechtigkeit erlebte. Peter Härtling, selbst ein Flüchtlingsjunge, hat sich mit dem Roman „Djadi, Flüchtlingsjunge“ verabschiedet. Es war sein letztes Buch, ein literarischer Nachlass. Jetzt ist der 1933 in Chemnitz geborene Härtling, der im mährischen Olmütz aufwuchs und mit der Mutter nach Nürtingen kam, tot. Doch seine Bücher leben weiter und erzählen vom Schicksal der Geflüchteten aller Nationen. Härtling, der die Vergewaltigung der Mutter erlebt und ihren Selbstmord überlebt hat, konnte sich einfühlen in die Flüchtlinge von heute, in das Leid der Kinder. Und er mischte sich ein, war aktiv in der Friedensbewegung und engagierte sich im Umweltschutz. Die Bilder vom aktuellen Flüchtlingselend entsetzten ihn. Hier meine Besprechung seines letzten Buches: Angepasst an die neue Heimat – und dann? Der zehnjährige Flüchtlingsjunge Djadi kommt mutterseelenallein nach Deutschland und wird von einer Alten-WG aufgenommen. Vor allem den Mann, der ihn „gefunden“ hat, und seine Frau werden zu Djadis Ersatzeltern. Aber auch die anderen kümmern sich um den eltern- und heimatlosen Jungen. Nur das Jugendamt macht erst einmal Schwierigkeiten wegen der eher ungewöhnlichen Lebensverhältnisse. Aber allmählich findet sich Djadi zurecht, passt sich an. Anders geht es ja nicht in unserem…