Es fängt eher kurios an: mit einer Gurkenscheibe, dem Relikt eines Gin Tonics. Max Küng spannt seine Leser ganz schön auf die Folter, bis er zur Sache kommt – dem Haus, das entmietet werden soll. Die fünf Mietparteien, die um den Verbleib in dem Haus in der (fiktiven) Züricher Lienhardstraße bangen, skizziert er allerdings auch noch im Prolog, der wohl zeigen soll, wie das Kleinste mit dem Größten zusammenhängt. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Hausbesitzer möchte die Wohnungen sanieren und später teurer vermieten. Dagegen laufen die Mieter Sturm, und sie schließen sich – obwohl höchst unterschiedlich – zu einer Art Schicksalsgemeinschaft zusammen. Unter normalen Umständen würde den eitlen Moderator Tim Gutjahr und den glücklosen Immobilienmakler Fabio ebenso wenig verbinden wie die Kunststudentin Delphine und die Klatsch-Journalistin Paola oder die labile Alleinerziehende Virginia. Die drohende Kündigung wirkt wie eine Katharsis Doch die drohende Kündigung überwindet zunächst alle Schranken. Gemeinsam wird überlebt, wie man juristisch gegen die Kündigung vorgehen könnte. Ausgerechnet bei einer Unterredung unter den Männern öffnet Fabio einen Glückskeks mit dem Spruch „Wenn du dein Haus verlässt, beginnt das Unglück“ – womit der Titel des Buches erklärt wäre. Doch das Unglück hat schon im Haus begonnen. Alle Bewohner stecken…
Hannah Rothschild kennt sich aus in der Welt der Reichen und der Kunst. Die 1962 geborene Autorin aus der berühmten Bankiersfamilie steht seit 2015 dem Aufsichtsrat der Londoner National Gallery vor – als erste Frau in der Geschichte des renommierten Hauses. Für ihr Romandebüt „Die Launenhaftigkeit der Liebe“ hat sie jahrelang recherchiert. Das merkt man dem Buch an, das immer wieder mit präziser Sachkenntnis überrascht. Viele Geschichten in einem Roman Dabei ist Rothschilds dickes Buch über die verschlungenen Wege eines Gemäldes und die Perfidie von Kunsthändlern weit mehr als ein Roman über Kunst, er ist auch Historien- und Kriminalroman und zudem eine Liebesgeschichte – und er bringt ein Gemälde zum Reden. Es ist Watteaus „Die Launenhaftigkeit der Liebe“, lang verschollen und nun unter dubiosen Umständen wieder aufgetaucht. Zur Versteigerung sind alle angereist, die auf dem Kunstmarkt Geld und Namen haben. Für das – fiktive – Gemälde eine Selbstverständlichkeit, hatte es doch zu seinen besten Zeiten Könige, Päpste und Mätressen erfreut: „Ich wusste, dass ich gerettet werden würde, aber nicht, dass es fünfzig Jahre dauern sollte. Es hätte Suchmannschaften geben müssen, Bataillone und Legionen. Warum? Weil ich unbezahlbar bin.“ Außerdem galt das so von sich überzeugte Gemälde als größte und bewegendste Darstellung…
Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Der Volksmund hat die Krankheit richtig erkannt. Die Betroffenen werden von einem Extrem ins andere katapultiert, von der Manie mit Höhenflügen und übersteigertem Selbstbewusstsein bis in die tiefste Depression mit Selbstmordgedanken. Der Begriff „bipolare Störung“ umschreibt nur unzureichend die oft extremen Ausschläge der Krankheit, die oft zur gesellschaftlichen Isolierung der Betroffenen führen. In seinem Buch „Die Welt im Rücken“, das auf der Shortlist des Buchpreises stand, beschreibt Thomas Melle ohne Rücksicht auf sich selbst, wie zerstörerisch die Krankheit wüten kann. Zwischen Wahn und Weltschmerz Er schildert die Manie, die ihm vorgaukelt, ein bedeutender Künstler zu sein, ja ein Weltenretter, dem die Umwelt mit Verehrung begegnet und der bei den Frauen leichtes Spiel hat. Auf die Umgebung wirkt er in dieser Zeit befremdlich hyperaktiv, ja selbstzerstörerisch. Er fühlt sich allem und jedem überlegen, und während er Freunde und Vorgesetzte beschimpft, die Wohnung zertrümmert und seine geliebten Bücher vernichtet, ergeht er sich in Allmachtsfantasien. Das macht ihn unerträglich für die anderen. Für ihn selbst aber wird erst die auf den Wahn folgende Depression unerträglich. Dann erkennt er das volle Ausmaß der Zerstörung, die er angerichtet hat, erkennt die absolute Leere seines Lebens und fällt in ein tiefes, schwarzes…
Er wollte immer anders sein als sein Vater. Das hat John Burnside auch geschafft. Immerhin ist der Schotte Schriftsteller geworden und lehrt als Professor kreatives Schreiben an der Universität von St. Andrews. Trotzdem ist er überzeugt davon, dass sein Vater nicht stolz auf den Erfolg gewesen wäre. „Er hätte gesagt: Das ist etwas für Weicheier, Bücher lesen und mit Studenten sprechen“, sagte der 61-Jährige in einem Interview. In dem Roman „Lügen über meinen Vater“ hat er mit dem alkoholkranken Stahlarbeiter abgerechnet, dessen Brutalität seine Kindheit überschattet hat. Die Fortsetzung heißt „Wie alle anderen“, und Burnside beschreibt darin, wie er selbst in den 1980er-Jahren drogensüchtig und alkoholabhängig war und zudem noch schizophren. Seltsame Höhenflüge – nah daran an der Selbstzerstörung Damals war sein größter Wunsch, wie alle anderen zu sein, also ein normales Leben zu führen – am besten in der Vorstadt und „aufs angenehmste betäubt“. Doch die Betäubung hält nicht an, er gerät wieder in den Sog der Abhängigkeit und fällt ganz tief, so tief, dass ein Kneipenbekannter ihn als Mörder seiner Frau engagieren will. Sein Leben wird zur Geisterbahn, heimgesucht von den Gespenstern der Vergangenheit. Er ist verliebt, hat Sex, reist und erlebt in selbst gewählter Einsamkeit seltsame Höhenflüge…